Brasilianische Klänge zu Gast im Wintergarten.
Wenn das Blü zum Jazzclub wird.

Alle Jahre wieder findet im Gasteinertal kurz vor Ende der Wintersaison ein
musikalisches Highlight für Jazzaffinados statt. Das Snow Jazz Festival Gastein öffnet Herzen, Hütten- und Hoteltüren, die noch schneebedeckten Bergspitzen liefern das pittoreske Panorama dazu.
Es war nur eine Frage der Zeit bis dieses kleine feine Festival auch mich in seinen Bann ziehen sollte. So geschehen, war ich heuer sogar Wiederholungstäterin, denn schon letztes Jahr adelte der eine oder andere Konzertbesuch meinen damals verletzungsbedingten Kuraufenthalt in Bad Hofgastein zur Jazzreha.
In froher Erwartung reiste ich also im kühlen Märzengrau an, um ein verlängertes Wochenende an verschiedenen Austragungsorten der Jazzliebe zu frönen, diesmal unter dem vielversprechenden Motto „Brasil“. Von der Blü-Crew werde ich gewohnt herzlich in Empfang genommen. Während sich die einen Gäste über die letzten Pistenabfahrten der Saison freuen, gehöre ich eher zur Fraktion: gebt mir den Frühling und das bitte sofort! Betrüblicherweise teilt der Wettergott meine Auffassung leider nur bedingt.
Umso gemütlicher ist es am Freitagnachmittag im Speisezimmer des Blü, aka Wintergarten. Den hat die engagierte Belegschaft im Handumdrehen in einen respektablen Konzertsaal verwandelt. Dort, wo ich vor kurzem noch krachend in mein Frühstückssemmerl gebissen habe, stehen jetzt akkurate Reihen mit bunt zusammengewürfelten Sesseln. Generalversammlung der vereinigten Stühle sozusagen.
Ich ergattere gerade noch ein Platzerl weiter hinten. Sehen tu ich nix, aber hören umso mehr. Die aus Wien angereiste Band „Familia Padua“ spielt heiße brasilianische Rhythmen, bei denen selbst arthritische Schultern in Bewegung geraten und Fußspitzen im Takt scharren. Draußen spazieren Einheimische und Touristen vorbei, gehen Schulkinder und Schifahrerinnen ihren Beschäftigungen nach. Manche bleiben stehen und treten näher an die Glasscheiben heran, spüren die kollektive Begeisterung, die vom Jazzclub im Wintergarten weit über den Kaiser Franz Platz strahlt. Sie lächeln. Kinder strecken die Arme in die Luft und beginnen zu tanzen.
Ein paar Schneeflocken wirbeln vorbei, drinnen spielt der 23 Lenze zählende João Vitor Pádua in ein rosa Sakko gewandet eines der besten Querflötensoli, die ich je gehört haben werde. Des Portugiesischen nicht mächtig, denke ich: La vita è bella und schicke ein inniges Dankgebet ins Tal. Dafür, dass das Schöne so simpel sein kann. Dafür, dass das Gute so nah ist, zwischen Flötentönen und Aperitivo, irgendwo zwischen Bergspitzen und Talsohlen, wohnt der Jazz im Glück.
(c)Verena Göltl