Schwitzen im Angesicht des Herrn.

Der heiße Glöckner von Bad Hofgastein.

07 Oktober 2024
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Autor: Gast-Blogs
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Sauna mit Panoramafenster und Blick auf Terrasse und Berge


Ganz oben, im 5. Stock liegt das Himmelblü. Wenn sich die Lifttüren öffnen, zieht es mich zuerst verlässlich nach links durch die Glastür hinaus auf das begrünte Hausdach vom Hotel Blü, wo die weite Rasenfläche mit den dahinterliegenden Wiesen verschmilzt und mir das Gefühl gibt, gleichzeitig im Dorf und in den Bergen zu sein. Wenn ich mich an den duftenden Kräutern, die in Hochbeeten wachsen, satt gerochen und den überwältigenden Panoramablick zum Bersten inhaliert habe, bin ich bereit, ins Reich der Stille einzutreten. Ins Blü-Spa.
Schon beim Öffnen der Glastür wird klar: hier steht der Alltag auf Pause. Allein schon durch den spektakulären Ausblick über Dächer, Almen und Gipfel entspannen sich die Sinne. Besonders gemütlich finde ich es am Abend, wenn überall kleine Lichter leuchten, und man am Hang vis-à-vis das beleuchtete Weitmoser Schlössl sehen kann. Dann ist die Welt auf Abstand und der Himmel ganz nah. Mein computergeschundener Körper lässt sich schwer auf die Holzbänke fallen und schwitzt raus, was ihn schon viel zu lang belastet hat. Und während mir die finnische Sauna so richtig einheizt, schwitzen andere Gäste gemütlich im Bio-Saunarium vor sich hin.
Schweißperle um Schweißperle entferne ich mich weiter vom stressigen Dasein in der Donaumetropole Wien. Ich setze mich auf und lasse meinen Blick schweifen. Der spitze Turm der katholischen Pfarrkirche Bad Hofgastein ist zum Greifen nahe. Ich betrachte die Kirchenglocken und überlege, wie das denn wäre, wenn diese nicht wie heutzutage üblich elektronisch, sondern stattdessen händisch geläutet werden würden. Wie anno dazumal von einem muskulösen, breitschultrigen Glöckner in Kutte, der im Schweiße seines Angesichts an den Stricken zieht, während der grobe Kuttenstoff an seinem nackten Leib reibt. Die Vorstellung lässt mich schmunzeln, macht den Aufenthalt in der Sauna aber nicht gerade kühler.
Ich beschließe, dem imaginären Glöckner eine Freude zu machen und trete wie Gott mich schuf auf den Balkon hinaus. Klare Gasteiner Höhenluft durchdringt meine Zellen, während ich mich in nächtlichen Sternbildern verliere. Als der Vollmond sich zwischen dunklen Wolkenfetzen hindurchschiebt und die Kirchturmspitze beinahe zu berühren scheint, schlüpfe ich hinein ins Warme und gönne meinem heißen Körper eine coole Crushed-Ice-Massage. Ja, der Herrgott hat sich schon was dabei gedacht, als er Eva Eder den ehemaligen „Salzburger Hof“ hat kaufen lassen. Göttlicher als im Himmelblü kann man nicht schwitzen.

Verena Göltl
Sängerin, Texterin, Radiomoderatorin