Ein Erfahrungsbericht über die Yogatage im Gasteinertal.

BRUCE LEE, MUTTER ERDE, SEX UND SCHWEISS.

16 Mai 2025
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Autor: Gast-Blogs
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7:30 auf der Matte. Noch ohne Kaffee. Den braucht Frau Samurai nicht zum Munterwerden. Rede ich mir zumindest ein. In Wahrheit ist es sich einfach nicht mehr ausgegangen, obwohl der Wecker pünktlich um 6:00 früh geratscht hat. Nur noch 1x umdrehen. Mit dem Lift also hurtig hinauf ins Himmelblü-Yogaloft mit dem wohl schönsten Doppelausblick im hinauf- und im herabschauenden Hund, weil es vorne und hinten eine Giebelfensterfront gibt. Geborgen über den Dächern Bad Hofgasteins suche ich im Budokon Yoga die Kriegerin in mir. Finde dabei zunächst einen müden Sandsack von Körper samt halbwacher Gehirnmasse vor. Beide bemühen sich nach Kräften bei den flinken Abfolgen mitzukommen.

Für Fia Sonora, die Yogalehrerin im Blü, scheinen andere Gesetze der Schwerkraft zu gelten als für mich. Wie Jackie Chan wirbelt sie über die Matte. Mein träge ächzender Körper staunt. Aaah – so sollte das ausschauen! Ich lächle ihm verlegen zu, ziehe mein Luftschwert und wehre
hochkonzentriert eine Horde imaginierter Angreifer ab. Für Millisekunden bin ich Bruce Lee und kicke den Weltschmerz beiseite. Nach 90 Minuten Budokon Flow ist auch Bruce mehr als bereit für ein großes Frühstück. Napassteh!


Im Hotel Tirol geht meine Yogareise weiter. „Mutter Erde“ wird erkundet. Bibiana Weiermayer-Schmid führt uns zunächst auf einer schamanischen Reise ins grüne Moos, um Kontakt mit dem Element Erde aufzunehmen. Zum Eintauchen sehr hilfreich ist der Waldbadenduft, den Bibi uns auf Wunsch als Tropferl auf die Haut verabreicht. Nach einer Vorabduftprobe willige ich ein und bereue nichts. Im Raum herrscht eine angenehm warme Atmosphäre, Kerzen flackern, der Blick ruht auf den Bergspitzen. Begleitet von einer Rahmentrommel ruft Bibi mit ruhiger sanfter Stimme die Himmelsrichtungen und Krafttiere zu uns. Ich fühle mich so fest im Leben und auf dem Erdboden verankert wie schon lange nicht. Mein Körper und meine Seele sind ruhig.
Ich bin genau dort, wo ich sein soll. In mir tönt Frieden. Ich bin daheim.


Yoga im Freien ist wie Sex im Freien. Es hat eine archaische, ursprüngliche Kraft. Die Lebendigkeit der Natur dringt mit jedem Atemzug tiefer in die hintersten Zellwände ein. Unter gelb-orange-grün-braunen Herbstblättern auf einer hölzernen Plattform neben dem rauschenden Gasteiner Wasserfall den herabschauenden Hund zu praktizieren, hat etwas zutiefst Sinnliches. Es geht um Achtsamkeit im Umgang mit dem eigenen Körper und seinen Grenzen. Wie weit kann er gehen, wie weit will ich, dass er geht? Hinspüren, wo es zwickt und sich dem Widerstand hingeben anstatt dagegen anzukämpfen. Und siehe da – wie von selbst fließt Leichtigkeit durch meine Glieder, und mein Körper entspannt sich spielend tiefer in die Position hinein. Die Dame neben mir kommt zu spät. Im Ruderleiberl sitzt sie da, wetzt unruhig hin und her. Matte auf, Matte zu, Schuhe an, Schuhe aus, macht zu 99% komplett andere Positionen als die Yogalehrerin ansagt, summt und brummt neben mir wie ein Kind mit ADHS. Ich beschließe, gelassen zu bleiben, nicht in den Widerstand zu gehen. Zum Schluss bedankt sich die Dame begeistert bei der Lehrerin. Sie „habe die Stunde ganz toll gefunden. So ruhig und wohltuend langsam.“ Die Schlussentspannung macht sie nicht mehr mit. Es beginnt zu regnen. Ich lächle in mich hinein. Auf meiner Matte liege ich warm eingepackt, dicke rote Wollstrümpfe an den Füßen, die Kapuze meiner Daunenjacke übers Gesicht gezogen. Ich liege da und spüre. Höre das Rauschen des Wasserfalls und gebe mich trotz Regen und Kühle genüsslich dem Savasana hin. Befreiend!

Hot Yoga. Wiedersehen mit einer alten Liebe. Habe ich doch in meinen Dreißigern viele Jahre leidenschaftlich gern Bikram Yoga praktiziert. Alles hat seine Zeit. Dennoch packt mich die Nostalgie und auch die Neugier, wie denn Hot Yoga im Blü aussehen könnte. Zu sechst treffen wir uns leicht bekleidet im Gymnastikraum vom Blü, den eine Heizkanone auf heiße 39 Grad bringen soll. Ganz schafft sie es zum Glück nicht, aber es reicht, dass die Schweißperlen stetig auf die mit Handtüchern bedeckten Yogamatten tropfen. Ich bin eine der ältesten. Meinem Körper kennt man das aber nicht an. Er erinnert sich an alles. Jede Mini-Bewegung, jede Anweisung hat er abgespeichert und begibt sich für 90 Minuten in eine geführte Körpermeditation. Wenn ich eines gelernt habe bei den Yogatagen in Gastein, dann, dass es ganz schön hot ist das Hirn auszuschalten und den Körper einfach mal machen zu lassen. Namaste! 


©Verena Göltl (Sängerin, Texterin, Ö1-Radiomoderatorin)